Gefährlicher als Radeln
Während der Jeepfahrt nach Askole wünschen wir uns nicht nur ein Mal zurück aufs Rad. In unserem vergitterten Käfig auf der Rückbank sind wir dem Fahrer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Er rangiert um die steilen Kehren am 200 Meter tiefen Abgrund, arbeitet sich mit Allradantrieb und gesperrtem Differential über Schneelawinenkegel, die die Offroad-Piste unter sich begraben.
Bei all den losen Felsbrocken auf den Hängen über uns müssen wir an die vielen Unfälle auf dieser Strecke denken; herabstürzende Steine haben in den vergangenen Jahren ganze Bergsteigerteams in den Tod gerissen. Doch heute kommen alle Jeeps unbeschadet in Askole an – nicht nur unsere, sondern auch die der 22-köpfigen italienischen Jubiläumsexpedition um Silvio Mondinelli zum 50. Jahrestag der Broad-Peak-Erstbesteigung und die der deutschen K2-Expedition.
Gemeinsam gehen wir nun durch das tiefe Flusstal des Baltoro-Rivers – mitten drin in der Karawane von rund 500 Baltiträgern, gut einem Dutzend bepackter Mulis sowie Kühen und Ziegen, der Eiweißration für das Basislager. Immer größer werden die Gipfel rundum, immer beeindruckender die Eisbrüche und steiler die Grate. Rechter Hand die schäumende, schmutzig braune Brühe des Gletscherabflusses, vor uns schließlich am Payu-Camp der Gipfel des K2.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Wiedersehen in Baltistan
Das Expeditionsteam ist startklar. Nach einem langen Flug, einem Briefing beim Ministerium in Islamabad und Scherereien wegen des trägen Verbindungsoffiziers sind nun auch unsere Bergkameraden Sorin Nistor und Helmut Hackl sowie die übrigen Mitglieder der diesjährigen G-II-Expedition in Skardu eingetroffen. Wir freuen uns riesig – vor allem darüber, dass Sorin trotz seines Halswirbelbruchs im Februar mit dabei sein kann. Top trainiert, top gesund, top motiviert! Am 19. Juni werden wir gemeinsam in Richtung Basislager aufbrechen; zunächst mit einem Jeep nach Ascole, dann zu Fuß über den Baltoro, einen der größten außerpolaren Gletscher der Welt.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Skardu: Wir packen zum letzten Mal die Räder ab
Am 10. Juni, um 12:20 Uhr pakistanischer Zeit erreichen wir den Ausgangspunkt für die Expedition zum Gasherbrum II: Skardu, eine kleine, schmutzige Stadt im zentralen Karakorum. Nach 9320 Kilometern, 94 Radltagen und 532 Stunden reiner Fahrzeit steigen wir drei mit müden Beinen endgültig von unseren mitgenommenen Rädern. Wir schließen damit den ersten Teil der Ultratour 2007 erfolgreich ab. Jetzt hoffen wir, dass Christian und Andi in den bevorstehenden sechs Ruhetagen wieder genug Kraft für die Besteigung eines Achttausenders sammeln können.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Khunjerab-Pass und Karakorum Highway: der Höhepunkt!
Eine große militärische Festung, unzählige überaus strenge Soldaten als lebende Schranken: Die Chinesen haben den Khunjerab-Pass für Fahrradfahrer gesperrt. Durch ihre Barrieren ist kein Durchkommen – außer im Bus oder Jeep. Für uns ein Tabu! Schon viele Monate vor dem Tourstart im Februar haben wir uns deshalb um eine Sondergenehmigung bemüht und mehrere Dutzend Mails an chinesische Agenturen verschickt. Alles zunächst ohne Erfolg. Ein offizielles Permit gäbe es nicht. Vor wenigen Wochen nun bekamen wir dann wider Erwarten doch noch das Okay von einer Agentur in Kashgar. Kein Permit, aber Geld öffnet uns schließlich nach langen Verhandlungen die Schranken 130 Kilometer vor der Passhöhe und pakistanischen Grenze. Ein „Supervisor“, ein Guide und ein Fahrer weisen uns per Jeep den Weg durch das weitläufige Flusstal, in dem es ohnehin nur eine einzige, dafür aber umso größere Asphaltstraße gibt.
Am höchsten Punkt zeigt unser Höhenmesser 4713 Meter. Vor uns liegt der berüchtigte, in steile Felswände gesprengte Karakorum Highway. Er führt uns durch enge Schluchten und vorbei an spektakulären, noch unbestiegenen Siebentausendern. Unter uns der Fluss, der zunächst Khunjerab, dann Hunza und Gilgit heißt und sich etwa 2000 Meter tiefer mit dem schäumenden Indus vereint. Herabstürzende Felsen haben tiefe Krater in den Asphalt geschlagen, Gerölllawinen ganze Straßenabschnitte verschüttet. Unsere Räder halten trotzdem durch.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Die bewegte Ultratour
Beitrag von Erik Pusch
Viktor Reger hat einen kleinen Filmausschnitt mitgebracht, bei dem man die Ultratour 2007 Mannschaft auf freier Strecke sieht. Die Aufnahmen entstanden im Iran zwischen Mashad und der turkmenischen Grenze in der Nähe von Mozduran.
Zwischen Mashad und Mozduran (MPEG, 10.2MB)
Die letzten Etappen…
Beitrag von Erik Pusch
In unserer Zusammenstellung der Wegmarken der Ultratour 2007 finden sich jetzt die aktualisierten Einträge von Tashkent über Kirgisien bis zum 30. Mai in Kashgar, sowie die geplanten Etappen über den Khunjerab-Pass bis nach Skardu.
Wie üblich sind die Informationen auf der Seite Die Route zu finden.
Ultratour Interview in der Süddeutschen Zeitung
Beitrag von Erik Pusch:
In der Süddeutschen Zeitung vom 30.05.2007 fand sich ein Interview mit Christian Rottenegger und Andi Seiler. Christian Mayr von der SZ interviewte beide, als die Ultratour Station in Taschkent machte.
Online ist der Artikel zu finden unter:
Mit dem Rad ins Karakorum – „Wir sind fast täglich in Lebensgefahr“
http://www.sueddeutsche.de/reise/artikel/332/116216/
Kashgar: Am Rand der Wüste ohne Wiederkehr
Ursprünglich war es das Ziel unserer Tour „8000 Kilometer weit“: Kashgar, Ausgangspunkt für die Besteigung des Muztagata (7546 Meter) und Knotenpunkt in China, an dem sich die Seidenstraße teilt. Zu unserer Linken breitet sich das riesige Becken der Taklamakan aus, der Wüste ohne Wiederkehr. Vor uns liegen die Kunlun-Berge mit ihren weit über 4000 Meter hohen Pässen. Wir verlassen hier die Seidenstraße und schlagen die südliche Richtung direkt zum Khunjerab-Pass und der Grenze zu Pakistan ein. Erst hier in Kashgar haben wir die Genehmigung erhalten, diesen 4700 Meter hohen Pass mit dem Fahrrad zu befahren – allerdings nur mit militärischer Eskorte. Rund 800 harte Kilometer trennen uns noch von Skardu, wo wir endgültig unsere Räder verpacken und uns auf die Expedition zum Gasherbrum II konzentrieren können.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Über das Pamir-Gebirge nach China
Wenn wir bisher von schlechten Straßen geschrieben haben, dann nur, weil wir die kirgisischen Schotterpisten über die hohen Pässe des Pamir-Gebirges noch nicht kannten. Unsere Handgelenke machen uns sehr zu schaffen, obwohl wir nicht schneller als vier bis fünf Kilometer pro Stunde fahren. Wir stehen sogar im Brummistau, weil streckenweise jeder der wenigen verkehrenden Trucks einzeln durch das Labyrinth metertiefer Bodenwellen und Löcher gelotst werden muss. Am 3630 Meter hohen Taldyk-Pass spüren wir wegen des eisigen Winds die Zehen und Finger kaum noch – schließlich sind unsere Körper seit der Karakum-Wüste auf Hitze eingestellt. Und trotzdem: Beim Anblick der sechs- und siebentausend Meter hohen Eisriesen der Alau-Kette rücken diese Widrigkeiten in den Hintergrund. Einer der grandiosesten Momente dieser Tour!
An der chinesischen Grenze, unsere Tachos zeigen bereits knapp über 8000 Kilometer, erwartet uns eine böse Überraschung. Die besoffenen Grenzsoldaten machen Wochenende. Das bedeutet für uns: zwei Tage Zwangspause im Zelt unmittelbar neben dem Stacheldrahtzaun, der Kirgisien von China trennt.
(nach einer Aufzeichnung von Annette Kniffler)
Das Himmelsgebirge bringt uns zum Schwitzen
Wir überqueren die Ausläufer des Tienschan (Himmelsgebirge). Die steile Pass-Straße schlängelt sich durch eine grüne, nahezu baumlose Hügelwelt, schneebedeckte 3000er-Gipfel in der Ferne. Nach der Passhöhe (2200 Meter), ein streng vom Militär bewachter Tunnel, erwarten uns eine lange Abfahrt durch Geröllfelder mit karger Vegetation und die letzte flache Etappe vor unserem Ziel in Pakistan. Wir folgen nun dem Flusstal des Sirdarya, in dem nur dank intensiver Bewässerung weitläufige Pappelalleen, Getreide und Baumwolle gedeihen. Vor der kirgisischen Grenze legen wir noch eine kurze Verschnaufpause ein, bevor wir die hohen Pässe des Pamirgebirges in Angriff nehmen.